Mensch und Mikroben

Der Mensch in Symbiose mit Mikroorganismen

Dass unsere Mitbewohner mehr als nur ganz nützlich sind, sondern massgeblich über Gesundheit oder Krankheit mitentscheiden, wird seit langer Zeit vermutet, konnte aber erst vor wenigen Jahren wissenschaftlich nachgewiesen werden.

Wir leben wie selbstverständlich mit ca. hundert Billionen Mikroben, die insgesamt deutlich mehr als tausend Arten angehören, zusammen. Sämtliche Oberflächen unseres Körpers sind mit Bakterien und anderen Mikroben besiedelt. Nicht nur auf der Haut, sondern auch auf sämtlichen Schleimhäuten, wie Mund, Darm, Nasen, Lungen, Blase oder Vagina. Solange unsere gesamte Oberfläche mit den "guten" Mikroben besetzt sind, bleiben wir vor krankmachenden Keimen geschützt. Wer zum Beispiel von "bösen Streptokokken" verschont bleiben will, dem gelingt das am ehesten, wenn er "gute Streptokokken" hat. Denn diese verweigern ihren Krankheiten auslösenden Verwandten ziemlich effektiv den Zutritt.

 

Sind Bakterien unsere Feinde?

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Bakterien sind Krankheitserreger und sorgen für üble Gerüche. Schmutz gleich Bakterien. "Antibakteriell" ist eines der wenigen Worte, welches wir trotz "Anti-" als positiv empfinden. Antibiotika haben unzähligen Menschen mit akuten Infektionen geholfen und gehören heute zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten überhaupt. Wir desinfizieren und putzen, so gut wir nur können. Wir vermeiden Keime, wo es nur geht.

Trotzdem sind wir heute nicht unbedingt gesünder als zu jenen Zeiten, als Hygiene ausschliesslich aus Wasser und Seife bestand. Seit dem Kriegsbeginn gegen die Bakterien, haben Krankheiten wie Diabetes, Fettleibigkeit, Allergien oder Autoimmunkrankheiten extrem zugenommen. Ist diese Gleichzeitigkeit reiner Zufall? Oder stören wir ein über Jahrtausende eingependeltes Gleichgewicht zwischen uns und den Mikroben in und um uns?

Übrigens ist der Zusammenhang zwischen Antibiotika und Gewichtszunahme schon lange bekannt und wurde daher auch gezielt in Mastbetrieben dem Futter zugesetzt.

 

Wie viele Mikroben bewohnen uns?

Der Mensch ist ein Planet mit vielen Ökosystemen. An verschiedenen Körperstellen wie Achselhöhle, Fingernägel oder Bauchnabel finden wir sehr unterschiedliche Mikroben-Populationen vor. Unsere Haut umfasst ca. 4 m2 und alle Schleimhäute zusammen 400 m2. Unser Körper besteht aus ca. 10 Billionen Zellen und wird von 10 Mal mehr Mikroben bewohnt und begleitet ... Die Menge an Darmbakterien umfasst ein Gewicht von 1 bis 1,5 kg. Alleine diese Zahl lässt den Einfluss einer solchen Menge "Untermieter" auf unser Wohlbefinden erahnen. Wie viele Arten und Varianten es normalerweise pro Mensch sind, weiss niemand ganz genau. Sie interagieren miteinander wie Lebewesen in einem Biotop. Sie konkurrieren um Platz und Nahrung, kooperieren aber auch beim Erschliessen von Futterquellen, werden beeinflusst von den Umweltbedingungen, die sie vorfinden, geraten unter Stress, wenn das ökologische Gleichgewicht gestört wird und finden im besten Fall dieses Gleichgewicht wieder.

 

Einflüsse auf unsere Untermieter im Darm

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Verschiedene Faktoren beeinflussen im Positiven oder im Negativen die Darmflora. Ein wesentlicher Faktor ist das tägliche Angebot über die Nahrung, welches die Darmbakterien erhalten. Denn nicht nur wir essen, sondern unsere Mitbewohner essen stets mit, was wir über die Pforte des Mundes hineinlassen. So können sich z.B. durch ein erhöhtes Zucker- und Kohlenhydrat-Angebot (raffinierte Kohlehydrate) Hefepilze etablieren, welche den Organismus mit giftigen Substanzen belasten und die nützlichen Darmbakterien verdrängen.
Weitere negative Einflüsse auf die Darmflora können Medikamente, wie z.B. Antibiotika oder die sog. "Magenschoner" (Protonenpumpenhemmer) sein. Letztere daher, weil durch eine Blockierung der Magensäureproduktion auch die Basenbildung ausbleibt, welche dringend für die Produktion der Verdauungssäfte im Dünndarm und der Bauchspeicheldrüse benötigt werden. Eine unzureichende Verdauungsleistung, lässt die unverdauten Nahrungsbestandteile in Darmabschnitte gelangen, wodurch sich infolge des Nahrungsangebotes dort Bakterien etablieren können. Diese Bakterien wiederum verdrängen andere Populationen und produzieren Stoffwechselprodukte.
Wie der Name Antibiotika ("gegen das Leben") schon sagt, töten diese Medikamente Bakterien. Selbstverständlich gehen dabei auch grosse Mengen an Darmbakterien drauf. Erhöhte Stuhlmengen, Durchfall aber auch Verstopfung können die unmittelbaren Folgen sein. Im besten Fall erholt sich die Darmflora innert kurzer Zeit wieder von selbst. Aber auch eine Magen-Darm-Grippe kann die Darmflora so verändern und schädigen, dass sich z.B. eine "bleibende" Lactoseintoleranz entwickelt.

Die Folgen einer Veränderung der Darmflora können Darmschleimhautentzündungen, erhöhte Durchlässigkeit (Permeabilität) des Darmes und letztlich zu vielfältigen Symptomen führen. Die Betroffenen erleben oft eine lange Behandlungs-Odyssee bis sie die wahre Ursache der Beschwerden und dann zu einer ursächlichen Therapie finden. Symptome und Folgekrankheiten können wechselhafte Stuhlkonsistenz, Durchfall, Verstopfung, Blähungen, Bauchschmerzen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Allergien, Neurodermitis, chronische Müdigkeit oder Kopfschmerzen sein.

Eine ganzheitliche milieuregulierende Behandlung u.a. mit hochdosierten, lebensfähigen Milchsäurebakterien können hierbei die Lösung sein. Inzwischen wird angenommen, dass ein Milchsäurepräparat (Probiotika) mit einem breiten Spektrum an verschiedenen Bakterienstämmen die Wirkung erhöht. Abgesehen von der richtigen Mittelwahl, ist eine Karenz der problematischen Nahrunsmittel für eine gewissen Zeitraum elementar. Auch Nahrunsmittel, welche die erwünschten Darmbakterien begünstigen, muss berücksichtigt werden. Dazu gehören die sog. Ballaststoffe, also Pflanzenfasern welche nicht im Dünndarm verdaut und resorbiert, sondern von den Dickdarmbakterien teilweise verstoffwechselt werden. Ballaststoffe sind einfach ausgedrückt in pflanzlichen unverarbeiteten oder nicht stark verarbeiteten Nahrunsmitteln enthalten. Sprich, eine vollwertige, gemüsereiche Ernährung ist anzustreben. Gute Probiotika-Präparaten enthalten daher z.B. Inulin (aus der Zichorienwurzel), was die Ansiedlung und Effektifität der probiotischen Bakterien erhöht. Doch Vorsicht! Eine zu schnelle Ernährungsumstellung oder zu hohe Dosierung solcher Präparate kann z.B. zu Blähungen führen. Gesunde Nahrunsmittel sind nur dann gesund, wenn sie auch richtig verdaut werden können.

Übrigens ist der Ausdruck "Flora" heute nicht mehr ganz korrekt. Die Bezeichnung "Flora" bzw. "Darmflora" rührt daher, dass man früher diese Organismen der Pflanzenwelt zugeordnet hatte. Heute wird in der Fachwelt vom "Mikrobiom" gesprochen, was die Gesamtheit der im Darm lebenden Mikroorganismen umfasst.

Verfasser: Remo Stury, Naturheilpraktiker

Quellen:
"Bund fürs Leben. Warum Bakterien unsere Freunde sind" von Hanno Charisius und Richard Friebe
"Darm mit Charme. Alles über ein unterschätztes Organ" von Giulia Enders

 

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